Liebe Gemeinde,
ich
war vor einigen Wochen auf der Beerdigung des Vaters einer Freundin von mir.
Bevor der Gottesdienst begann, habe ich das Gotteslob durchgeblättert. Es ist so, man findet für jedes große Fest im
Kirchenjahr ein Lied: "Stille Nacht, heilige Nacht für Weihnachten", "Das
ist der Tag, den Gott gemacht, der Freud in alle Welt gebracht" für
Ostern, für Pfingsten singt man "Der Geist des Herrn erfüllt das All"
und "Gegrüßt seist Du Königin singen wir an den Maiandachten". Sogar
zu Begräbnissen singt man Lieder. Und dann gibt es noch jede Menge Loblieder:
"Großer Gott, wir loben Dich", "Den Herren will ich loben",
"Lobet den Herren", "Danket dem Herren, denn er ist gut"
und "Nun danket all und bringet Ehr".
Wenn
ein Mensch stirbt, der lange krank war, der viel durchgemacht hat, dann endet
das Leiden dieses Menschen. Was für den Verstorbenen noch tröstlich sein kann,
für die Angehörigen, die diesen Menschen geliebt haben, für sie geht das Leiden
weiter oder es beginnt erst. Sie vermissen diesen Menschen, und das für den ganzen
Rest Ihres eigenen Lebens. Besonders wenn junge Menschen oder gar Kinder
sterben müssen, dann ist das Leid unerträglich. Wenn man sich dann diese
Lobeslieder im Gotteslob ansieht, dann denkt man sich: Was soll das? Wie soll
man diesen angeblich "großen Gott" loben, der so unfassbar grausame
Dinge geschehen lässt? Wie soll man
diesem Herrn danken, der Jugendliche und Kinder aus dem Leben reißt? Warum "feiert"
man denn überhaupt ein Begräbnis? Was um aller Welt gibt es da zu feiern? "Großer
Gott, wir loben Dich". Was für ein Hohn. Gott ist grausam. Gott hierfür zu
loben, ist ein Fehler.
Diese
Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich während der Beerdigung an all die
jungen Menschen gedacht habe, die in den letzten zwei-drei Jahren in Aying,
Peiß und Helfendorf umgekommen sind.
Auch
den Jüngern muss es ähnlich gegangen sein: Da kommt nach ewigen Zeiten endlich
der Retter der Menschheit, der Heiland, der Messias, Gottes Sohn, und dann so
etwas. Er wird gefoltert, gedemütigt, gequält, umgebracht. Was für ein Gott ist
das, der seinen angeblichen Sohn so grausam sterben lässt?
Der
Trauergottesdienst des Vaters meiner Freundin begann, und irgendwann kam dann die
Predigt. Sie hielt ein Diakon, ein langjähriger Freund des Vaters. Er aber sagte einen Satz, der mich nachdenklich
gestimmt hat, denn er sprach ihn für den Verstorbenen an die Trauergäste:
"Ich war dort, wo Ihr seid. Ihr aber geht dorthin, wo ich bin". Unsere
Verstorbenen waren dort, wo wir jetzt sind. Wir aber gehen dorthin, wo die
Verstorbenen sind. Wie aber muss man sich das vorstellen? Was passiert denn mit
denen, die verstorben sind?
Und
das ist jetzt eine Frage, die sich jede Religion stellt: Was passiert mit uns,
wenn wir gestorben sind? Sitzen wir auf der Wolke und spielen Harfe, sitzen wir
mit dem Aloisius im Himmel am Biertisch, bringt uns der Boandlkramer in den
Himmel, verbrennen wir in der Hölle für unsere Sünden, oder passiert einfach
gar nichts? Man kann rätseln und philosophieren solange man will, wir wissen es
nicht. Und ich hoffe auch, dass es uns auch in Zukunft keine Wissenschaft verraten
wird.
Ich
will heute nicht wissen, was mit mir geschieht, wenn ich tot bin. Aber ich
will daran glauben, dass es mir gut gehen wird. Ich will daran glauben,
dass die Menschen, die verstorben sind, all die Kinder, die Jugendlichen, meine
Eltern, dass es ihnen dort, wo sie jetzt sind, gut geht, bei Gott. Niemand wird
mir jemals den Beweis erbringen, dass es so ist, aber trotzdem will ich es glauben.
Jesus hat es am Kreuz gesagt, ganz kurz vor seinem Tod: "Noch heute wirst
Du mit mir im Paradies sein". Genau das will ich glauben. Dass die Menschen,
die wir geliebt und verloren haben, dass sie im Paradies sind. In ihrem eigenen
Paradies. Gerne am Biertisch mit Aloisius. Das ist das, was uns Christen ausmacht:
Nicht zu sagen, "nach dem Tod kommt nichts", sondern "nach dem
Tod kommt die Auferstehung, da kommt das neue, ewige Leben im Paradies".
Wenn
wir das glauben, dann stimmen auch wieder die Lobeslieder aus dem Gotteslob:
"Lobet den Herren", "Danket dem Herren, denn er ist gut".
Sogar am Karfreitag könnte man singen: "Großer Gott, wir loben Dich, Herr
wir preisen deine Stärke. Vor Dir neigt die Erde sich und bewundert deine
Werke. Wie du warst vor aller Zeit, so bleibst Du in Ewigkeit". Und wir
sind mittendrin. Wir müssen nur dran glauben. Wenn uns das gelingt, dann ist
sogar ein Karfreitag ein Tag zum Feiern.
Amen.