Liebe Gemeinde,
wenn man Kinder fragt: "Wie sieht ein König aus und was macht ein
König?", dann fallen die Antworten meist ziemlich eindeutig aus: "Ein
König hat eine Krone. Er hat einen prächtigen Mantel, einen goldenen Stab in
der Hand, manchmal ein Schwert und vor allem sitzt er auf einem erhobenen Thron;
er wohnt in einer Burg oder in einem Schloss; er ist ganz wichtig und sagt den
Menschen, was sie tun sollen und was nicht; manchmal führt er Kriege; er ist
reich und hat viel Geld. Und er kann sich nahezu alles leisten."
So oder so ähnlich lauten die Antworten
der Kinder. Für sie ist das alles klar: Könige sind etwas Tolles, Glänzendes.
Und manch einer träumt wohl davon, selbst einmal König oder Prinzessin sein zu
dürfen. Für uns Erwachsene ist das etwas anderes. Wir denken eher an die
wirklichen Könige und Adeligen, die es in Europa noch gibt, die wir aber
höchstens aus der Regenbogenpresse kennen, wenn eine prächtige Hochzeit
gefeiert wird oder Skandale breitgetreten werden weil ein Prinz wieder mal an
einen Pavillion gepinkelt oder mit Regenschirmen um sich geprügelt hat. Es ist
schon verrückt, was man sich als König oder Adeliger alles leisten kann. Auf
jeden Fall aber hat kein König dieser Welt etwas mit unserem Alltagsleben zu
tun.
Und trotzdem sollen wir heute den
Christkönigstag feiern. Können wir heute mit dem Begriff oder Titel „König“ in
Blick auf Jesus überhaupt noch etwas anfangen? Jesus war sicherlich kein König,
wie sich ihn unsere Kinder vorstellen - mit Krone, Zepter, Schwert und viel
Reichtum. Und er hat ganz sicher auch nichts mit den Königen der Gala und Bunte
zu tun, die eben nur dann interessant werden, wenn etwas scheinbar Märchenhaftes
oder Skandalöses zu berichten ist. Aber was müssen wir uns dann unter diesem
König namens Jesus vorstellen? Was soll das für ein König sein?
Ähnliche Fragen stellte Pontius Pilatus
im heutigen Evangelium. Er fragt "Bist du der König der Juden?" In
diesem Moment spricht einer, der ziemlich klare Vorstellungen von einem König
und seiner Macht hat. Nur spricht hier aber auch einer, der Angst davor hat,
dass dieser König eine Gefahr darstellt, für die römische Herrschaft und seine
ganz persönliche Macht und Position. Pilatus hat Angst vor Jesus, obwohl dieser
doch so hilflos erscheint und so gar nichts von einem König hat. Aber Pilatus
muss herausfinden, ob von Jesus Gefahr ausgeht. Und so entwickelt sich das
Gespräch zwischen den beiden, in dem immer deutlicher wird, dass Pilatus überhaupt
nicht weiß, worum es Jesus wirklich geht. Für ihn ist es unvorstellbar, dass
jemand ein Reich hat und sich dabei nicht auf politische Macht stützt. Doch
genau darum geht es, wenn wir Jesus den Titel König geben. Wir müssen unsere
weltlichen Vorstellungen zurückstellen, denn Jesu Königtum leitet sich von dem
ab, für das er steht: für die Botschaft vom Königtum, vom Reich Gottes.
Wer dahinter schaut, was Jesus mit
diesem Reich meint, erfährt auch mehr von dem, was für eine Art König er ist.
Im Gespräch mit Pilatus macht er dabei eines unmissverständlich klar: Es ist
kein Königtum von dieser Welt, in dem Gewalt und Kampf zählen. Es ist ein
Königtum, das ganz andere Maßstäbe setzt. In seinen Worten und Taten hat Jesus
dies immer wieder gezeigt. Er schaut nicht auf Macht und Einfluss und lässt
sich nicht davon leiten. Er lässt sich nicht vor einen Karren irgendeiner
Interessengruppe spannen. Er bleibt nur der Botschaft verpflichtet, dass Gott
allen Menschen nahe sein und für sie Gutes möchte. Er möchte heil machen, was
bei Menschen der Heilung bedarf. Er möchte aufheben, was Menschen untereinander
und von Gott trennt. Er möchte für alle ein erfülltes Leben, ein Leben in
Fülle. Und dies alles gilt heute genauso wie damals. Deshalb ist Jesus andere
Wege gegangen, die für einen weltlichen König nicht vorstellbar wären.
Und dann kommt mir noch ein anderer
Gedanke: Warum überhaupt hat Gott seinen Sohn als kleines, schwaches Baby in
die Welt gesetzt? So verletzlich und schwach? Wieso hat er ihn nicht einfach
vom Himmel gesandt, stark, unbesiegbar, gutaussehend, toll - eine Art Superman
mit magischen Superkräften? So hätte er doch viel mehr bewirken können, er
hätte viel mehr Publicity gehabt, die Leute wären ihm nachgerannt wie einem Popstar.
Mit seinem Zauberschwert hätte er die, die ihn kreuzigen wollten schlagend
vernichtet – und er hätte ewig leben können, schließlich ist er ja auch Gottes
Sohn.
Stattdessen aber schickt Gott einen
kleinen, schwachen Säugling, der in einer armseligen Krippe geboren wird und
von armseligen Leuten großgezogen wird. Sollte daraus etwa etwa einmal König werden?
Und am Ende lässt Gott es auch noch zu, dass Jesus geschlagen, gedemütigt, mit
Dornen gekrönt, gefoltert und ans Kreuz genagelt wird. Warum in aller Welt ließ
Gott das zu?
Weil Gott uns zeigen wollte, dass Jesus zu Lebzeiten so war wie wir. Verletzlich.
Unvollkommen. Liebesbedürftig. Am Tage seines Todes war Jesus im Garten Gethsemane ängstlich
und zweifelnd. Er hatte einfach nur Angst. So gar kein Superheld. Er war eben jemand
mit Stärken und Schwächen. Eben so, wie wir. Aber Jesus hat uns gezeigt, wie
man jedes Problem mit den stärksten Waffe der Welt bekämpfen kann: Mit seiner
unendlichen Liebe und seiner Gabe, Verzeihen zu können. Sogar jenen, die ihn
gefoltert haben hat er verziehen, wie später auch Stephanus: Herr, rechne ihnen
diese Sünde nicht an. Herr vergib‘ ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. Jesus
selbst hat nie jemandem weh getan.
Wenn auch wir versuchen das tun, was Jesus
uns vorgelebt hat, niemanden weh zu tun, zu verzeihen, niemals zu hassen,
unsere Nächsten so zu lieben wie uns selbst, dann sind auch wir nach unserem
Tod kleine Könige in Gottes Himmelreich. Amen.